Sonntag, 28. Mai 2017

Legofiguren als Trauerspielzeug - Komm, wir bauen eine Trauerhalle... Mit Kinderspielzeug den Tod begreifen lernen - wie ein niederländischer Spielzeugbauer Trauerbegleitern und Therapeuten bei der Arbeit mit Kindern helfen will

Osnabrück/Bremen - Als Kind spielte der Niederländer Richard Hattink gerne mit Lego. Heute hat er zwar längst ein Masterstudium in Pädagogik abgeschlossen - aber mit Spielzeug ist er immer noch beschäftigt. Bei ihm lässt sich heute so ziemlich alles kaufen, was mit Tod, Sterben und Trauer zu tun hat. Als Spielzeug. Von der Trauerhalle bis zum Krematorium über einen Friedhof, auf dem gerade ein Grab ausgebuddelt wird, während die Sargträger im Hintergrund schon den Verstorbenen bringen. Wozu das Ganze? Zum Begreifen! Auf der Messe Leben und Tod in 2018 (und zuvor auch in 2017) war der Niederländer mit einem Stand vertreten.

"Wir achten darauf, dass wir, wenn wir über etwas so Schweres sprechen, auch eine Leichtigkeit mit reinbringen" (also etwas Spielerisches) - so sagte es, in einem anderen Vortrag und in einem anderen Kontext, die Trauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper auf der Messe "Leben und Tod 2017" in Bremen. Genau dort, wo der 35-jährige Richard Hattink an seinem Stand erstmals einem deutschen Publikum sein Trauerspielzeug vorstellte, das ebenfalls genau diesen Zweck erfüllen soll: Eine Leichtigkeit mit reinzubringen bei etwas unsagbar Schwerem. 


Der offene Sarg kurz vor seiner Schließung, im Hintergrund die vorbereitete Trauerfeier in der Trauerhalle - mit diesem Trauerspielzeug können Kinder nachfühlen/nachspielen, was sie erlebt haben.  (Thomas-Achenbach-Foto)

Hattink, der auch mal als Bestatter tätig war, nutzt vorhandene Bausteine aus bestehenden Spielzeugsystemen, die er zu seinen eigenen Kreationen zusammensetzt. Zu kaufen gibt es bei ihm dann das fertige Gesamtprodukt. Leichenwagen, Friedhöfe oder Krematorien im Spielzeugformat - und viele andere Accessoires rund um die Themen Tod und Bestattung. Seine Kunden sind vor allem Trauerbegleiter, Psychologen, Bestatter und Privatleute, die einen Weg suchen, spielerisch mit trauernden Kindern zu arbeiten. Und wer Hattink auf seinem Messestand besuchte, bekam regelrecht Lust, gleich mitzuspielen - auch ganz ohne eigenen Trauerfall -, so überzeugend ist das Ergebnis. 


Diese Arbeiter heben auf dem Friedhof bereits die Grube aus für den Sarg - das Trauerspielzeug aus den Niederlanden war auf der Messe Leben und Tod 2017 in Bremen zu erleben.    (Thomas-Achenbach-Foto) 

Hattink vertreibt sein Spielzeug über einen Onlineshop auf seiner Internetseite www.rouwenadvies.nlDas Ganze ist allerdings ein nicht ganz günstiges Vergnügen. Ein komplettes Krematorium kostet beispielsweise 114 Euro, eine Trauerhalle mit Trauerredner rund 75 Euro (Direktlink zum Webshop: hier klicken). Und dennoch: Hattinks Spielzeug ist begehrt, wie alleine die Messe "Leben und Tod" in Bremen zeigte. Waren am ersten Messetag noch alle dort an seinem Stand gezeigten Spielzeuge mit Preisschildern versehen, hatte sich das Bild bis zum Nachmittag des zweiten Tages verändert: "Verkauft" hieß es jetzt fast überall. Es wäre spannend zu erfahren, wer in Kürze damit spielen wird. Um sich über eine spielerische Leichtigkeit auch dem ganz Schweren anzunähern. 


Pädagoge, Bestatter, Spielzeugbauer - Richard Hattink.  (Thomas-Achenbach -Foto)

Das Fazit für die "Leben und Tod 2017" fällt übrigens mehr als positiv aus - wie die Bremer Messe am 15. 5. in einer Pressemitteilung schrieb, waren selbst die Organisatoren rund um Meike Wengler überrascht vom Ergebnis: 4336 Besucher kamen demzufolge zur achten Auflage der Messe - 510 mehr als im Vorjahr (3826). Für den Fachkongress registrierten sich in diesem Jahr 1305 Besucher. Das ist ein Plus von mehr als 50 Prozent gegenüber 2016 (856) - also noch deutlich mehr als der von Meike Wengler in unserem Interview prognostizierten 30 Prozent. 

Und der Termin für die Messe Leben und Tod 2018 steht auch schon fest: Sie findet am Freitag und Samstag, 4. und 5. Mai 2018, statt. 


Die Trauerhalle im Detail... jemand sollte dem Trauerredner sagen, dass die Blumen links vom Sarg umgekippt sind...   (Thomas-Achenbach-Foto)

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Der Autor dieser Zeilen bietet Trauerbegleitung an in Osnabrück und im Osnabrücker Land an und hat eine Ausbildung zum Trauerbegleiter absolviert (Große Basisqualifikation gemäß des Bundesverbands Trauerbegleitung) und bietet Podcasts rund um das Thema Trauer an (bitte hier klicken). Thomas Achenbach ist der Autor des Buches "Männer trauern anders - was ihnen hilft und gut tut", 168 Seiten, Patmos-Verlag, 17 Euro, erschienen im März 2019. Mehr Infos gibt es hier.

Alle aktuellen Termine, Lesungen, Vorträge, Workshops, Seminare etc. mit Thomas Achenbach finden sich unter diesem Link 

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2 Kommentare:

  1. Hallo und vielen Dank für den tollen Artikel zur Trauerverarbeitung. Ich finde es toll, dass ein Bestatter und Pädagoge einher gehen können. Mit Spielzeug Trauer verarbeiten klingt auf jeden Fall sehr interessant.

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